Überzeugen als Widerstand

Gnadengesuche und Briefe zum Todesurteil
1943 – 1944


Gnadengesuch von Edith Gadawits
28. September 1943


Gnadengesuch der Mutter von Rosa Hofmann
26. Jänner 1943


Brief des Vaters von Leopoldine Sicka
19. Jänner 1944



Edith Gadawits, Rosa Hofmann und Leopoldine Sicka waren im Kommunistischen Jugendverband (KJV) und der „Gruppe Soldatenrat“ aktiv. Hier sind zwei Gnadengesuche und ein Brief abgebildet. Die Verurteilten und ihre Eltern versuchten alles, um das Todesurteil in eine Gefängnisstrafe umzuwandeln. Edith Gadawits beruft sich auf ihre Jugend und darauf, dass man „das Produkt seiner Umgebung“ ist. Ihre Berufung wurde von einem Anwalt unterstützt, den ihr Vater Josef Gadawits beauftragt hatte. Die Mutter von Rosa Hofmann, Cäcilia Hofmann, führt die „socialistische“ Umgebung und den „Einfluss von Männern“ auf ihre Tochter an und dass einer ihrer Söhne im Krieg gefallen ist. Als Leopold Sicka seine Tochter im Wiener Landesgericht besuchen will, muss er feststellen, dass sie „nicht mehr anwesend“ ist. In seinem Brief bittet er um Auskunft, „wenn auch das Furchtbare Urteil vollstreckt wurde“. Leopoldine Sicka und Rosa Hofmann wurden in Wien und Berlin hingerichtet. Edith Gadawits wurde begnadigt und ihr Todesurteil in eine Gefängnisstrafe von 12 Jahren umgewandelt. Nicht alle Widerstandskämpfer*innen konnten einen Anwalt mit ihrer Verteidigung beauftragen. Josef Gadawits bezahlte für die Verteidigung seiner Tochter 1.457,28 RM. Ein Anwalt erhöhte nicht unbedingt die Chance auf Begnadigung. Ob man getötet oder begnadigt wurde, war reine Willkür der Nazibehörde.




„Erlaube ich mir um Begnadigung zu einer Freiheitsstrafe anzusuchen“
Gnadengesuch von Edith Gadawits
28. September 1943


Vorderseite

Name des Gefangenen
Gadawits Edith

Wien, VIII/65
Landesgerichtstr. 11.
28. 9. 1943

Stempel: Untersuchungshaftanstalt, 30. Sep. 1943

An die Oberreichsanwaltschaft des Volksgerichtshofes
Berlin W9, Bellevuestr. 15
Betrifft: Gnadengesuch

Da ich, Gadawits Edith, geb. 18. 8. 1924 am 24. 9. 1943 zu Tode verurteilt wurde, erlaube ich mir um Begnadigung zu einer Freiheitsstrafe anzusuchen. Ich bin 19 Jahre alt und war zur Zeit meiner Straftat 15 bis 17 Jahre. Ich will besonders erwähnen, daß ich mir mit diesem Alter der Tragweite meiner Handlungen nicht bewußt sein konnte und als junges Mädel leicht beeinflußbar war. Ist der Mensch doch das Produkt seiner Umgebung und dieser bin ich zum Opfer gefallen. Nur auf diese Art war ich zu den strafbaren Handlungen fähig, da ich aus eigener Initiative nie auf diesen Gedanken gekommen wäre. Ich möchte noch erwähnen, daß ich einige Monate vor meiner Verhaftung mich gänzlich von der politischen Arbeit fernhielt, da ich das Verwerfliche dieser Sache erkannte.

Rückseite

Ich bereue die Tat sehr und bitte aus obigen Gründen mein Gesuch berücksichtigen zu wollen und mir noch einmal die Möglichkeit zur Wiedergutmachung meines Fehlers zu geben. Im voraus bestens dankend zeichne ich

Hochachtungsvoll
Gadawits Edith


Biografie Edith Gadawits


Objekt
Gnadengesuch von Edith Gadawits
28. September 1943
Papier, A4, Vordruck, mit Tinte


Archiv
Bundesarchiv
R3017/23627





„Nur die eine Bitte, dass mir meine Tochter erhalten wird“
Gnadengesuch der Mutter von Rosa Hofmann
26. Jänner 1943


Stempel: Reichsanwaltschaft des Volksgerichtshofes Berlin W9, 28. JAN. 1943

An den
Oberreichsanwalt
beim Volksgerichtshof in
Berlin W9
Bellevuestrasse Nr. 15

Vorderseite

Meine Tochter Rosa Hofmann ist am 15. XII. 1942 wegen Vorbereitung zum Hochverrat vom Volksgerichtshof in Berlin zum Tode verurteilt worden. Ich sehe ein, dass sich meine Tochter, insbesondere dadurch, dass sie Flugschriften an die Wehrmacht, mit der Aufforderung die Waffen nieder zu legen, verteilte, schwer gegen das Reich verstossen hat und die Strafe wohl ihrem Verhalten auf Grund der gesetzlichen Vorschriften angemessen war, ich erlaube mir aber doch aus nachstehenden Gründen als schwer geprüfte Mutter die Bitte zu stellen, meine Tochter zur Begnadigung vorzuschlagen. Meine Tochter ist leider schon von ihrer früheren Jugend an von socialistischen Einflüssen umgeben gewesen, hat ihren Vater durch Selbstmord verloren, der seiner langjährigen Arbeitslosigkeit aus Verzweiflung selbst ein Ende bereitete. Der Umstand, dass der Vater das Opfer seiner Arbeitslosigkeit wurde, scheint eine gewisse Verbitterung die sie nie verliess, bei ihr hervorgerufen zu haben.

Rückseite

Wenn auch die Verteilung der Flugschriften vorliegt, so ist doch noch die Möglichkeit offen, dass die Verantwortung meiner Tochter richtig ist, dass sie dieselben ungelesen und ohne Kenntnis des Inhaltes verbreitete. Ich kann mir die Handlung meiner Tochter nur so erklären, dass sie derart unter dem Einfluss von Männern gestanden ist, dass sie deren Wünsche willenlos ausführte und ihre Willfährigkeit gewissenlos ausgenützt wurde. Ich bin Mutter von 4 Kindern, 2 Söhne und 2 Töchter, von denen eine verheiratet ist, einige Wochen vor der Verurteilung meiner Tochter ist mein erster Sohn vor dem Feind gefallen und hat jetzt das E.K. 2 [= Eisernes Kreuz II] verliehen erhalten. Der zweite Sohn steht ebenfalls im Feld, sollte auch er fallen bleibt mir nur meine eine Zochter [= Tippfehler im Original] als Stütze meines Alters über, die stets mir gegenüber eine gute und brave Tochter war. Ich lege die Abschrift des Schreibens des Kommandeurs und des Feldwebels meines Sohnes, sowie die Verständigung von der Verleihung des E.K. 2 bei, aus dem hervorgeht, dass mein Sohn treu seinem Eide gefallen ist. Ein Kind habe ich dem Vaterland hingegeben, das musste so sein. Ich habe aber nur die eine Bitte, dass mir meine Tochter erhalten wird und ihr die Möglichkeit gegeben wird, das wieder gut zu machen, was sie verfehlt hat

Salzburg, am 26. I. 1943
[Unterschrift in Kurrent:]
Zili Hofmann
als Mutter
Maxglan, Moserstraße 10.
Salzburg


Biografie Rosa Hofmann


Objekt
Gnadengesuch von Cäcilia Hofmann
26. Jänner 1943
Papier, A4, mit Schreibmaschine


Archiv
Bundesarchiv
R3017/25282





„Wurde mitgeteilt, das meine Tochter nicht mehr anwesend ist“
Brief des Vaters von Leopoldine Sicka
19. Jänner 1944


Stempel: Reichsanwaltschaft des Volksgerichtshofes Berlin W9, 26. Jan. 1944

Wien 19. 1. 44

An die Oberreichs Stadts Anwaldschaft!

Es wurde mir heute den 19. 1. 44 als ich meine Tochter Leopoldine Sicka, welche den 12. 10. 43 wegen Politisch zu Tode verurteilt wurde, als ich sie laut sprechkarte besuchen wollte im Landesgericht Wien 1. mitgeteilt, das sie nicht mehr anwesend ist. Ich mich wegen ihrem Aufendhalt an Sie wenden soll.

Bitte daher um Auskunft!
Wenn auch das Furchtbare Urteil an dem Kinde vollstreckt wurde mitzuteilen.

Hochachtungsvoll
Leopold Sicka
Wien X., 75., Quellenstraße 33/20

[Mehrere Notizen der Nazibehörde, u.a. in Kurrent:]

Zu antworten, daß das Todesurteil an Leopoldine Sicka am 11. Januar 1944 vollstreckt worden ist.

[Darunter Notizen vom 24. 2. und 28. 2. 1944 – vermutlich hat man den Vater von Leopoldine Sicka erst über 1 Monat später von der Hinrichtung seiner Tochter verständigt!]


Biografien „Gruppe Soldatenrat“


Objekt
Brief von Leopold Sicka
19. Jänner 1944
Papier, A4, mit Tinte


Archiv
Bundesarchiv
R3017/23612



  
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