Helfen als Widerstand
Briefe von Alexej Sarizkij
an Hermine Žlatnik
1966
an Hermine Žlatnik
1966
Diese zwei Briefe schrieb der Autor und Übersetzer Alexej Sarizkij 1966 an Hermine Žlatnik. 1965 war sein Buch „Erikahonig“ in Minsk erschienen. Das zweite Kapitel des Buches erzählt von Hermine Žlatnik. Sarizkij hatte Wladimir Maslakov kennengelernt und seine Erlebnisse als Kriegsgefangener in Wien etwas ausgeschmückt. Hermine Žlatnik war mit Sarizkijs Erzählung unzufrieden und schrieb 1965/1966 einen eigenen Tatsachenbericht nieder. Sie verwendet dazu einen längeren Bericht von 1960 und fasst ihre Erlebnisse neu zusammen.
Liebe Genossin Žlatnik!
Minsk, 8. März 1966
Besten Dank für Ihren herzlichen Neujahrsgruß. Leider ist Ihr Brief für mich nur halbverständlich, weil ich Ihre Handschrift nicht immer entziffern kann. In Mogilev war ich zum letzten Mal im vorigen Jahr, und ich weiß nicht, wie Maslakow und seine Familie leben, weil ich von ihm keine Briefe bekomme.
Im vorigen Sommer bin ich etliche Male vor meinen Lesern aufgetreten. Viele Leser lobten die Erzählung „Hermine Žlatnik“, wo über Ihre Hilfe der Kriegsgefangenen erzählt wird. Ich zeigte den Lesern Ihr Foto und Fotos von Kriegsgefangenen, die Sie vor mehr als zwanzig Jahren gemacht haben (magere abgezehrte Gesichter, Füße in Lappen und Holzschuhen). Und viele aus den Lesern sprachen mit einer großen Achtung darüber, was Sie, liebe Genossin Hermine, während des Krieges gemacht haben. Und ich schicke Ihnen einen herzlichen Gruß von meinen Lesern.
Heute ist gerade der Internationale Frauentag (8. März). Bei uns wird dieses Fest sehr und sehr breit gefeiert, kein Werk und kein Amt arbeitet an diesem Tage. Und ich schicke Ihnen einen großen und herzlichen Frauentagsgruß und beste Wünsche,
Alexej Sarizkij
PS: Ihr Foto und die Fotos von Kriegsgefangenen gab mir vor einigen Jahren Wladimir Maslakow.
Liebe Genossin Žlatnik!
Minsk, 29. Oktober 1966
Die drei Ihren Briefe, die auf meinem Schreibtisch liegen, sind für mich ein großer Vorwurf, und ich bitte um Entschuldigung für mein Schweigen. Ich habe doch nicht verstanden, warum sind Sie mit meiner Erzählung unzufrieden? In dieser Erzählung wurde nur das geschildert, was ich von Ihnen und Wladimir Maslakow gehört hatte. Außerdem nützte ich einige Ihrer und Maslakows Briefe aus, die ich ohne wesentliche Veränderungen, fast Wort für Wort, ins Russische übersetzte. Ich gestattete mir nur eine, sozusagen, dichterische Freiheit: am Ende der ganzen Geschichte führte ich einen alten gutmütigen Arzt ein, der Wladimir auch geholfen hatte. Das machte ich, um diese Erzählung zu beleben. Sie, liebe Genossin Žlatnik, sind in dieser Erzählung nur von den besten Seiten gezeigt, als eine echte Kommunistin, als ein Mensch mit dem großen und mutigen Herzen, der mit seinem Leben riskiert, um eine Gruppe sowjetischer Kriegsgefangenen zu retten.
Dieses Buch ist schon ausverkauft und viele Leser haben mir gesagt: „Was für eine prachtvolle und tapfere Frau ist Hermine Žlatnik. Sie verdient gerühmt zu werden.“
Jetzt über Ihre Handschrift. Es geht nicht um die Kalligraphie. Die deutsche Sprache ist für mich doch keine Muttersprache, und ich kann nicht jede Handschrift lesen. Besonders schwer ist für mich gotische Schrift. Diese alten Buchstaben sind mir böhmische Dörfer. Danke für Ihren Brief über den Hochverrat. Es ist eine alte, aber interessante Geschichte. Danke auch für Ihren Blumengruß.
Ich wünsche Ihnen Gesundheit und grüße Sie herzlich,
Alexej Sarizkij
PS: Ich bin nicht sicher, ob Sie eine richtige Übersetzung haben.
Biografie Hermine Žlatnik
Objekt
Zwei Briefe von Alexej Sarizkij an Hermine Žlatnik
8. März und 29. Oktober 1966, Minsk
Papier, A5, handgeschrieben, blaue Tinte
Transkription: Originaltext minimal bearbeitet, durchgestrichene Passagen wurden nicht übernommen
Archiv
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes
5558/A
Abbildung
Buchcover (Titelschrift)
Alexej Alexandrovich Sarizkij
Verskovyj Med: Rasskasy [= Erikahonig: Erzählungen]
Minsk, Belarus 1965
Archiv
Bibliothekskarte (Russisch)