Zurückschlagen als Widerstand

Anna Čadia
Zitate
1988

Diese Postkarte an ihre Mutter schrieb Anna Čadia 1940 aus der Haft im Grazer Landesgericht. Sie durfte die Karte nur schreiben, damit ihre 13-jährige Tochter Mila versorgt wird. Anna Čadia konnte der Mutter aber nicht mitteilen, wie es ihr ging und wie man sie im Gefängnis behandelte. Die Gefangenen wussten, dass die Behörden ihre Post lasen und zensurierten. Oft waren ganze Passagen geschwärzt und unleserlich gemacht worden, wenn die Post überhaupt bei den Familien ankam.

Anna Čadia engagierte sich als Kommunistin bei der Roten Hilfe. Sie war Teil einer Widerstandsgruppe, die Gelder für politisch Verfolgte sammelte. Die Gruppe wurde verraten und Anna Čadia verhaftet. Die politischen Gefangenen suchten nach Auswegen, um sich selbst und die anderen Widerstandskämpfer*innen zu schützen. In einem Gespräch von 1988 erzählt Anna Čadia über ihre Gerichtsverhandlung am 22. Juni 1941.


Postkarte aus dem Landesgericht Graz von Anna Čadia an ihre Mutter

19. Juni 1940, Poststempel: 03. 7. 40 

Vorderseite

Graz, am 19. Juni 1940

Liebste Mama! In unendlicher Sorge, bitte ich Dich inständig zu veranlassen, dass sich jemand darum kümmert, dass Mila die Schule (Musikschule) in Leoben für dieses Jahr ordnungsgemäß vollendet. Sollte ich bis dorthin noch nicht enthaftet sein, was ich aber bestimmt hoffe, dann bitte ich Euch, Mila für die Ferien nach Graz zu nehmen. Weiters soll Mila die in der Wohnung vorhandenen Lebensmittel sparsam verbrauchen, so dass nichts verdirbt.

Außerdem benötige ich dringend mein Dirndlkleid (ärmellos) und 1 Wäschegarnitur, sowie Seife. Bitte schickt mir diese Sachen umgehend her. Da ich vorläufig nur zum Zwecke, meine familiären Angelegenheiten als Fürsorgerin meines Kindes zu ordnen, Schreiberlaubnis erhalten habe, schließe ich für heute und grüße und küsse Euch alle. Anna.

Rückseite

Absender: Zelle 65, Čadia Anna UH [Untersuchungshaft]
Landesgericht, K. v. Hötzendorfstr. Graz

Frau Anna Čadia
Graz-West,
Karl Morrestr. 40/II


Zitate Anna Čadia

Ich weiß nichts über Kommunismus


Der Vorsitzende: „Nun erzählen Sie uns etwas vom Kommunismus.“ Habe ich mir gedacht: „Na ja, den Kopf selber in die Schlinge legen werde ich mir nicht.“ Und da habe ich gesagt: „Ich weiß nichts über Kommunismus. Da bin ich viel zu wenig informiert.“ „Aber im Völkischen Beobachter“ – da war ja schon zwei Jahre Hitlerherrschaft – „steht ja genug über Kommunismus.“ Habe ich gesagt: „Ja, aber es steht über Elektrizität auch allerhand im Völkischen Beobachter und ich verstehe einen Schmarren davon.“ Es war Juni, in einem verwaschenen Dirndlkleidl bin ich armselig dagestanden und habe mich so harmlos wie nur möglich gestellt. Da hat er mich als so eine Art Landpomeranze behandelt und das war mir aber gar nicht unangenehm.


Biografie Anna Čadia

 
Objekt
Postkarte aus dem Landesgericht Graz von Anna Čadia an ihre Mutter
19. Juni 1940
Papier, A6, mit Tinte 

Archiv
Privatarchiv Eva Schmeiser Čadia


Objekt
Fotos von Anna Čadia
Im Garten der Wohnsiedlung in Graz, 1988
Fotografiert von Margitta Kaltenegger

Archiv
Privatarchiv Ernest Kaltenegger


Objekt
Zitate von Anna Čadia im Gespräch mit Margitta Kaltenegger (Audio-Interview)
1988, Volkshaus Graz 

Archive
Privatarchiv Liesbeth Hornik-Turnowsky
Privatarchiv Ernest Kaltenegger
 
wert
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